* 24. Juni 1897 in Lübeck   † 27. Februar 1943 im KZ Buchenwald
Stolpersteinverlegung am 15. Oktober 2020 in der Parkstraße 3


Wolfgang Adolf Max Georg Freiherr von Czettritz und Neuhauß war ein Sohn unserer Stadt. Er wurde am 24. Juli 1897 geboren. Die Familie stammte aus Schlesien. Sein Vater war preußischer Oberstleutnant a. D. und starb schon 1901 im Alter von 52 Jahren.

Wolfgang von Czettritz war 1,82m groß, schlank, hatte blondes Haar und graue Augen. Er meldete sich 1914, als 17jähriger, freiwillig zum Kriegsdienst. Auf seiner Brust hatte er eine Narbe, die von einem Lungendurchschuss im gleichen Jahr stammte. Er wurde wohl mehrfach ausgezeichnet und zum Offizier befördert.

Nach dem Krieg hat er in Oberschlesien in einem sog. Freicorps gekämpft. (Diese Freicorps waren para-militärische Verbände, sollten zunächst die Grenzen des Deutschen Reichs sichern, waren aber bald als Feinde der Republik und deren Vertretern an Attentaten und Umsturzversuchen beteiligt.)

Wegen „gleichgeschlechtlicher Betätigung“ wurde Wolfgang von Czettritz in den 20er Jahren zwei Mal aus nationalsozialistischen Vereinigungen ausgeschlossen (dem Teja-Bund und der NSDAP selbst).

Zu Beginn der 1930er Jahre arbeitete er (möglicherweise als Inhaber) der Firma Sellschopp & Co. in der Alsheide 2, einer Papiergroßhandlung.

Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung wohnte er in Parkstraße 3, in dem Haus, das seiner Mutter gehörte.

Schon vor 1933 war er der Polizei aufgefallen. Es ging jeweils um Kontakt zu (jüngeren) Männern. Ab März 1935 wird gegen ihn aufgrund einer Aussage eines sog. Strichjungen ermittelt.

Der Prozess gegen ihn endet im August 1935 mit einem Urteil zu einem Jahr und sieben Monaten Gefängnis. Eine Berufung wird im November gleichen Jahres zurückgewiesen.

Die Unterlagen aus den Urteilen sagen viel darüber aus, wie Homosexualität in der damaligen Zeit angesehen war und welche Konsequenzen sich daraus ergaben: So behauptet Wolfang von Czettritz, dass er als 17jähriger während des Krieges verführt worden sei; einmal versucht er, sein Handeln mit „vollständiger Trunkenheit“ zu entschuldigen.

Aus dem Gefängnis heraus (April 1936) ist ein Brief erhalten, in dem er davon schreibt, dass er von der Hochzeit seines Bruder erfahren hat und diesem einen Glückwunsch geschrieben hat. Des weiteren schreibt er an einen Vertreter in seiner Firma, dass dieser sich darum kümmern soll, Staatsaufträge zu erhalten. Dies ist als Zeichen, dass er seine Funktion hier noch nicht völlig aufgegeben hatte, zu werten.

Nach seiner Entlassung, im Juni 1937 zog er jedoch fort: Es scheint nicht ganz klar, wohin zunächst: ob zuerst nach Berlin, danach nach Wien? Jedenfalls wird er dort im August 1938 - Österreich ist ein halbes Jahr zuvor Teil des Deutschen Reiches geworden - wegen „Besitzes militärischer Aufzeichnungen“ in Schutzhaft genommen. (Die Angaben der Behörden sind hier widersprüchlich.)

Ende Oktober 1939 heiratet er und arbeitet als kaufmännischer Angestellter in Berlin. Im Juli 1941 wird er in Meiningen erneut verhaftet.

Im Juni 1942 wird er in einem Transportbuch des Polizeigefängnisses Hamm (Westfalen) erwähnt, wo er von Papenburg im Emsland ins KZ Buchenwald gebracht wird. Am 27. Februar 1943 wird dort sein Tod von der Lagerleitung verzeichnet. Dass die Todesursache „Angina pectoris“, die damals viel zu häufig bei Gefangenen in Konzentrationslagern angegeben wurde, kaum der Wahrheit entspricht, soll hier nur kurz angemerkt werden. Dass sich Wolfang von Czettritz mit Selbstmordgedanken trug, berichten Mitgefangene.

Dass man aufgrund der Umstände, die hier geherrscht haben, durchaus von Mord sprechen kann, ist jedem klar, der sich näher mit dem verbrecherischen System auskennt, von dem Deutschland in jenen Jahren regiert wurde.

Stoltersteinverlegung für Freiherr Wolfgang von Czettritz am 15. Oktober 2020 in der Parkstraße 3
Foto: Kevin Hackert

Stoltersteinverlegung für Freiherr Wolfgang von Czettritz am 15. Oktober 2020 in der Parkstraße 3
Foto: Kevin Hackert

Wohnsitz von Freiherr Wolfgang von Czettritz in der Parkstraße 3
Foto: Kevin Hackert

Stolterstein für Freiherr Wolfgang von Czettritz in der Parkstraße 3
Foto: Kevin Hackert

Gunter Demnig hat das Stolpersteine-Projekt 1992 ins Leben gerufen
Foto: Kevin Hackert